Gastbeitrag: Berlin braucht mehr Neubau, nicht teuer gekaufte städtische Wohnungen

Vor wenigen Tagen konnte man es wieder lesen: Der Bezirk Mitte hat von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und einen Altbau in der Rathenower Straße im Stadtteil Moabit für die städtische Wohnungsgesellschaft WBM erworben. „Gerettet“ sind nun 15 Mietwohnungen – gerettet vor Privatisierung, Sanierung, gerettet vor Verkauf als Wohneigentum. So jedenfalls wird es berichtet und der zuständige Baustadtrat Ephraim Grothe (SPD) als Retter der Entehrten, als weiterer Robin Hood neben seinem Friedrichshain-Kreuzberger Kollegen Florian Schmidt dargestellt.

Das Vorgehen der Berliner Bezirke – mit ausdrücklicher Rückendeckung durch die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher – hilft den Menschen nur auf den ersten Blick. Wenn überhaupt. Faktisch und mittelfristig führt das zu noch weniger Angeboten auf dem Wohnungsmarkt und zudem zu steigenden Mietpreisen, auch durch die städtischen Wohnungsgesellschaften.

Bei Anwendung des Vorkaufsrechts muss der Bezirk – anders als bei der Erstzugriffsoption, die dem Land etwa bei Grundstücken und Häusern der BImA zur Verfügung stellt – in den bestehenden Kaufvertrag eintreten und diesen so auch übernehmen. Die Bezirke müssen also den Kaufpreis zahlen, auf den sich der Verkäufer mit seinem eigentlichen Käufer geeinigt hat. Dieses Geld steht dann dem Land für andere Projekte nicht zur Verfügung, etwa für den Neubau von bezahlbarem Wohnraum.

Ein Beispiel: Der Staat hat zwei Millionen Euro. Er kann entweder in einen Neubau mit zehn bezahlbaren Wohneinheiten investieren, oder er kann ein Mietshaus mit 15 Wohnungen kaufen. Kauft der Bezirk, dann bleibt die Anzahl der Wohnungen, die den Menschen zur Verfügung stehen, bei 15. Baut der Bezirk, entstehen zehn weitere Wohnungen – insgesamt steigt die Anzahl der Wohnungen also auf 25 Wohnungen. Dass von diesen 25 Wohnungen ein Teil nicht als Miet-, sondern als Eigentumswohnungen zur Verfügung stehen, sollte das Land nicht weiter stören. Denn sowohl Miete also auch Eigentum sind von der Berliner Landesverfassung als Staatsziele geschützt.

Nun aber hat der Bezirk also gekauft – die Folge? Kurzfristig sind die günstigen Mietverträge gesichert, aber schon mittelfristig werden auch die städtischen Wohnungsgesellschaften die Preise anheben müssen. Das passiert spätestens bei einem Mieterwechsel respektive notwendigen Instandhaltungen, da die meisten dieser Mietshäuser bislang nicht saniert worden sind. Wenn aber die jetzt wohlig vom Bezirk eingelullten Mieter ausziehen, werden sie mit der harten Realität konfrontiert, die umso härter ist, weil Land und Bezirke statt zu bauen Bestände aufgekauft haben. Dann fehlen nicht nur weitere Wohnungen, die hätten geschaffen werden können, sondern die Preise sowohl am Miet- als auch am Eigentumsmarkt sind nochmals gestiegen.

Wenn Berlin etwas gegen die Preisentwicklungen am Wohnungsmarkt unternehmen will, dann wird es wenig helfen, bestehende Mietwohnungen zum Marktpreis aufzukaufen. Wer wirklich etwas gegen den angespannten Wohnungsmarkt in der wachsenden Metropole Berlin tun will, muss die Entwicklung eines Gesamtplan unterstützen und zulassen. Wir brauchen einen Gesamtplan, wie, wo, wie viele Wohnungen bis wann gebaut werden können. Dazu muss der Senat zu einem Dialog einladen, an dem alle Akteure der Wohnungswirtschaft beteiligt werden, statt aus ideologischen Gründen große Teile der Immobilienwirtschaft auszugrenzen beziehungsweise deren Handlungsweisen von vornherein als „spekulativ“ oder „gewinnsüchtig“ zu diffamieren. Nur so wird es möglich sein, die benötigten 200.000 Wohnungen bis zum Jahr 2030 zu schaffen. Mit dem jeweils stolz verkündeten Ankauf von 15 bereits auf dem Markt befindlichen Wohnungen gelingt das wohl kaum.