Mietspiegel 2019 wirft neues Licht auf den Berliner Wohnungs­markt

Mietspiegel 2019: Risse im Glas

Auch wenn der Mietspiegel 2019 von Mieter- und Vermieterverbänden als qualifizierter Mietspiegel anerkannt wurde, bleibt offen, ob die angewandte Methode tatsächlich die Marktsituation spiegelt. Die dem VWB vorliegenden Zahlen zeigen, dass die durchschnittliche Neuvertragsmiete im Mai 2019 bei etwa EUR/m² 11,00 liegt. 

Wie ist der Mietspiegel 2019 zu interpretieren? Sollten die Zahlen des Mietspiegel 2019 zutreffen, würde er eine für viele überraschend heile Situation des Wohnungsmarktes in Berlin offenbaren. Aus etwa 1,4 Millionen Wohnungen wurde eine durchschnittliche Quadratmetermiete von knapp unter 7 Euro errechnet. Das würde bedeuten: Wohnen in Berlin ist überwiegend bezahlbar. Trotzdem sind Zweifel am Mietspiegel angebracht, auch wenn dieser von Mieter- und Vermieterverbänden als qualifiziert anerkannt wurde. Die dem VWB vorliegenden Zahlen zeigen, dass die durchschnittliche Neuvertragsmiete im Mai 2019 für die zurückliegenden 12 Monate bei etwa EUR/m² 11,00 liegt. Auch wenn in dieser Zahl keine kommunalen Neuvermietungen eingeflossen sind, ist die Diskrepanz zwischen 7 und 11 Euro hoch. Viele private Vermieter werden derzeit von einem mulmigen Gefühl beschlichen, mit dem Mietspiegel ausgetrickst zu werden. Wenn 7 Euro die Mitte der Mietspanne sind, muss auch gefragt werden, auf welcher Grundlage die von Senats- und Bezirkspolitikern mitgetragenen und mobilisierten Mietdemonstrationen standen. Man könnte auch fragen, ob entweder der Mietspiegel zurechtgebogen wurde, oder die Stimmungsmache gegen Vermieter und freie Wohnungswirtschaft anderen, höheren politischen Zielen dienen sollte und soll.
 

Mietsteigerung bei bestehenden Verträgen: 2,5% im Jahr.

Dem Mietspiegel 2019 zufolge steigen die Mieten nur noch um etwa 2,5% jährlich. Die Inflationsrate in Deutschland liegt derzeit bei etwa 2%. Damit würden die Mietsteigerungen ein anderes Verhältnis der Berliner Vermieter zu ihren Mietern zeigen, als von Politik, Stadträten und vielen Medien vermittelt. Bei 7 Euro Quadratmetermiete und 2,5% Mietsteigerung prop Jahr von Bereicherung, Wucher und Spekulation zu sprechen, ist nicht vermittelbar.
 

Wo ist die Wohnungsnot in Berlin am größten?

Wir haben uns die Bezirke angesehen und die Einwohnerzahl zum Wohnungsbestand ins Verhältnis gesetzt. Im Idealfall ist für jeden Haushalt eine Wohnung vorhanden. Ist dies nicht der Fall, steigen entweder die Haushaltsgrößen oder es fehlen Wohnungen. Farbskala: Je dunkler der Rot-Wert, desto größer das Wohnungsdefizit im Verhältnis zum Wohnungsbestand.

Wohnungsmärkte bestehen aus Teilmärkten

Der Mietspiegel deckt den Wohnungsmarkt für bestehende Mietverhältnisse ab. Neuvermietungen fließen erst dann in den Mietspiegel ein, wenn sie zum Zeitpunkt der Erfassung bereits als Bestandsmiete laufen. Die durchschnittliche Angebotsmiete bei Neuverträgen liegt naturgemäß deutlich höher als der Mietspiegel. Die Berechnung der Mietspiegel-Mieten basiert auf knapp 1,4 Millionen relevanten Wohnungen und soll das das Mietniveau zum Stichmonat September 2018 zeigen.

Daneben gibt es wie in jeder anderen Stadt auch, einen Neuvermietungsmarkt, der nicht dem Mietspiegel folgt.  Neben Neubauprojekten und Einheiten, die vor der Neuvermietung umfassen saniert wurden, werden viele Wohnungen auch möbliert oder auf Zeit vermietet. Es handelt sich dabei um Teilmärkte, die zu einem funktionierenden Mietmarkt gehören. Neben dem kommunalen, genossenschaftlichen oder geförderten Wohnungsbestand bietet er die Ausgleichsmasse für die Nachfrage aus den anderen Segmenten, bis hoch zum Markt für Luxus-Wohnungen. In diesem Teilmarkt liegen die Angebotsmieten höher als innerhalb des Mietspiegels.

Die Vorraussetzungen, unter denen sich Vermieter bei Neuvermietungen nicht auf den Mietspiegel beziehen müssen, sind alltäglich. Wohnungen altern, werden abgenutzt oder entsprechen irgendwann nicht mehr gängigen Standards. Dass Wohnungen vor einem Mieterwechsel meist umfassend renoviert, saniert oder modernisiert werden müssen ist ebenso legitim, wie die Tatsache, dass Vermieter die Investitionen über die Miete zurückholen müssen. In Milieuschutzgebieten wird über die Erhaltungssatzung die Einhaltung der Regeln sichergestellt. Wenn Genehmigungen für Maßnahmen erteilt werden, schützt dies den Bestand vor Erosion. Damit ist der hochpreisige Neuvermietungsmarkt sinnvoll und legal. Kommunale Vermieter stehen überdies vor identischen Herausforderungen, denn auch hier steigen die Kostenmieten. Die Differenz zwischen Kostenmiete und Marktmiete, also der Miete, die die kommunalen Vermieter von ihren Mietern nehmen dürfen, wird hingegen vom Steuerzahler in Form von Subventionen getragen.
 

12 Monate Berlin: Mietangebote

Wenn wir die zurückliegenden 12 Monate auf dem Berliner Mietwohnungsmarkt in einem Chart festhalten, sieht die Angebotssituation wie unten dargestellt aus. Wir haben das Angebot nach Baujahresklassen und Wohnungsgrößen geclustert. Es zeigt sich, dass in allen Baujahresklassen die Mietangebote breit gestreut sind. Auch wird sichtbar, dass der klassische Berliner Altbau und Neubauprojekte Kongruenzen aufweisen. 

Aufklären statt diffuse Ängste schüren

Der Mietspiegel 2019 bricht die Argumentationskette von Senat und Bezirke auf. Vermieter pauschal als Spekulanten zu klassifizieren, funktioniert bei Quadratmeter-Mieten von 7 Euro Miete nicht mehr. Mit dieser Miete rangiert Berlin auch bundesweit am Ende der Skala. Der Senat kann seinen wohnungsmarktpolitischen Werkzeugkasten nicht mehr weiter ausbauen. Mit der Einführung immer neuer Milieuschutzgebiete werden gleichzeitig auch Vermieter und Eigentümer immer weiter in ihren Rechten eingeschränkt, während die Mieterrechte gestärkt und erweitert werden. Neben dem Sonderkündigungsschutz vor Eigenbedarf, der Umwandlungsverordnung und der Mietpreisbremse hat Berlin das denkbar sicherste Netz für Mieter geschaffen. Jetzt kommt es auch darauf an, der Integrität der Markteilnehmer zu vertrauen. Alles, was über die umfangreichen Regulierungen hinausginge, wäre kein Mieterschutz, sondern ein Angriff auf das Wirtschaftssystem.
 

Der freie Angebotsmarkt in Berlin

Werfen wir abschließend einen Blick auf den freien Neuvermietungsmarkt der vergangenen 12 Monate in Berlin. Auf Grundlage der Mietangebote auf den gängigen Portalen und Tageszeitungen in Berlin sind unterschiedliche Tendenzen im Stadtgebiet feststellbar. Insbesondere die Hip-Lagen der letzten Jahre kommen derzeit zur Ruhe. Hochwertige klassische Lagen legen stark zu. Wenn wir den Markt in Preissegmente unterteilen, wird deutlich, dass von 2012 bis heute das Preissegment von 5,00 bis 8,00 EUR/m² fast vom Markt verschwunden ist. Zusammengenommen nehmen die Segmente bis EUR 11,00/m² Wohnfläche mehr als die Hälfte der Neuvermietungen auf dem freien Markt ein. Gleichzeitig zeigt sich im Jahr 2019 eine spürbare Verlangsamung des Mietanstieges über das gesamte Stadtgebiet.

Die Median-Miete liegt im 12-Monats-Zeitraum unseren Auswertungen zufolge derzeit bei 11,25 EUR/m². Es wurden etwa 83.260  Mietwohnungen angeboten. Die Neuvertragsmieten entwickelten sich in 60 Monaten um etwa 38,10 %.