Zehn Jahre nach der Einstellung des Flugbetriebs am Flughafen Tempelhof gewinnt die Diskussion um eine mögliche Bebauung des Tempelhofer Feldes endlich wieder an Fahrt. Ausgerechnet Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat auf einer Tagung der IHK Berlin seinen Willen bekräftigt, eine Randbebauung wieder auf die Agenda zu setzen. Das ist aus mehreren Gründen richtig, geht aber viel zu schleppend vonstatten.
Laut dem ursprünglichen Bebauungsplan aus dem Jahr 2014 – der wenige Monate vor dem Volksentscheid seitens der Stadt vorgestellt wurde – sollten rund 50 Hektar des Tempelhofer Feldes für Wohnungen, Büros und Gewerbe zur Verfügung gestellt werden. Auf der Baufläche hätten somit mindestens 5.000 Wohnungen entstehen können. Hätte man statt der damals geplanten neuen Zentralbibliothek weitere Flächen für Wohnungen zur Verfügung gestellt, wären es sogar deutlich mehr geworden.
Seit 2014 ist Berlin freilich um mehr als 300.000 Einwohner gewachsen. Die Wohnungskrise hat sich nicht entschärft, sondern im Gegenteil deutlich zugespitzt. In Berlin fehlen mittlerweile über 200.000 Wohnungen, während die Baugenehmigungs- und Fertigstellungszahlen weiterhin rückläufig sind respektive stagnieren. Wenn jetzt über das Tempelhofer Feld und dessen Bebauung gesprochen wird, dann muss die Fläche, die für Wohnraum zur Verfügung gestellt wird, radikal vergrößert werden. Wir brauchen keine Diskussion darüber, ob das Feld bebaut wird. Was Berlin braucht, ist eine Diskussion darüber, wie groß ein Park inmitten des neuen Wohngebietes tatsächlich sein muss, um den Wohnungsbedarf wirkungsvoll decken zu können.
Denn klar ist, dass Berlin keinen Mangel an Grünflächen hat. Die deutsche Hauptstadt ist auch ohne Tempelhofer Feld eine der grünsten Metropolen weltweit. Und gerade im Süden der Stadt sind Parks und Gärten keine Ausnahmeerscheinung. Allein Hasenheide, Viktoriapark, Anita-Berber-Park, Bose-Park, Alter Park und Franckepark, Natur-Park Südgelände ebenso wie Lessinghöhe, Thomashöhe und Körnerpark liegen in unmittelbarer Umgebung des alten Flughafens.
Woran es indes mangelt, ist Wohnraum in all seinen Facetten. Es fehlt an Wohnungen für Studenten und Berufsanfänger, für junge Familien, für sogenannte Best Ager und Senioren. Es fehlt an Wohnraum im bezahlbaren, im mittleren, im gehobenen ebenso wie im luxuriösen Segment. Es fehlt an Mietwohnungen, an Beamtenwohnungen und an Eigentumswohnungen. Kurzum: In Berlin fehlt es an allen Arten von Wohnraum – und kaum eine innerstädtische Brache bietet so viel Potenzial für ein Stadtentwicklungsprogramm wie das ehemalige Exerzierfeld und der spätere Flughafen Tempelhof.
Dass Michael Müller den Vorstoß für eine Bebauung erneut aufgreift, liegt übrigens auch daran, dass er mit dem negativen Volksentscheid 2014 auch persönlich eine herbe Niederlage erleben musste. Müller war seinerzeit Stadtentwicklungssenator – als gebürtiger Tempelhofer war er ein aktiver Befürworter einer Bebauung, wohl wissend um die positive Wirkung für seinen Heimatbezirk. Es wäre Müller im Namen der Berliner, die eine Wohnung suchen, nur zu wünschen, dass sein Vorstoß von damals endlich Widerhall findet. „Diese Flächen kommen wieder“, hat Müller wörtlich gesagt – wir nehmen ihn beim Wort.