Berliner Mietengesetz

"Die weiterhin steigende Nachfrage nach Wohnraum konnte bisher nicht durch eine entsprechende Angebotserweiterung durch ausreichenden Neubau gedeckt werden.”

Was sich wie eine Selbstverständlichkeit liest, ist ein Offenbarungseid. Die Notwendigkeit eines Berliner Mietengesetzes (Mietendeckel) wird damit begründet, dass nicht genug gebaut worden sei. Neu ist nicht die Tatsache, dass der Senat seit Jahren hinter den gesteckten Neubauzielen bleibt, sondern die Selbstverständlichkeit, mit der dies ausgesprochen wird. 
 

“Es ist festzustellen, dass der Druck auf Angebots- und Bestandsmieten durch eine gestiegene Renditeerwartung der Eigentümer wächst. Die Wohnungsmarktanspannung
verschärft sich in Berlin daher mit der Folge, dass die Mieten stärker als die Einkommen steigen.”

Tatsächlich wächst die Wirtschaft in Berlin. Aufgrund der stark zunehmenden Einwohnerzahl steigen die Pro-Kopf-Einkommen jedoch proportional weniger stark als in anderen Metropolen. Dem Entgeldreport (2018) der Bundesagentur für Arbeit zufolge liegen die Gehaltssteigerungen der Beschäftigten in Berlin über dem Bundesdurchschnitt. Von 2017 auf 2018 stiegen die Bruttoverdienste in Berlin um 1,7 Prozent, im Bund waren es 1,6 Prozent. Um Ausreißer bereinigt, also besonders hohe oder niedrige Gehälter, liegt der Median in Berlin ca. einhundert Euro unter dem gesamtdeutschen Mittelwert. Gleichzeitig werden aufgrund zahlreicher Regulierungsmaßnahmen die Mietsteigerungen in Berlin bereits jetzt flacher. Wie der Report des VWB-Mitgliedes Guthmann Estate GmbH zeigt, sind die Steigerungsraten im ersten Halbjahr 2019 in 14 von 22 Ortsteilen im Vergleich zum Vormonat zurückgegangen. Der Anstieg zum Vorjahr beträgt bei Neuvermietungen von Bestandswohnungen nur noch etwa 2,2 Prozent, bei Neubauvermietungen nur ca. 4,4 Prozent. Damit tragen Eigentümer die überproportionalen Steigerungen von Bau- und Modernisierungskosten mittlerweile fast alleine. 

Worüber heute nicht mehr gesprochen wird, ist, dass das Land Berlin in unterschiedlichen Senats-Konstellationen und unter Beteiligung der Linken insgesamt über 210.000 Wohnungen aus kommunalen Beständen privatisiert hat. Damit hat das Land einen erheblichen Teil des ehemals staatlich kontrollierten Segmentes günstigen Wohnraumes ersatzlos aus der Hand gegeben. Die Reduzierung des kommunalen Bestandes zugunsten von Haushaltskonsolidierungen steht der Behauptung entgegen, die Renditeerwartungen der Eigentümer seien für die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre verantwortlich. Vielmehr sind es die privaten Eigentümer, die den Wohnungsbestand in Berlin bezahlbar halten. Einigermaßen verlässliche Zahlen über die Zusammensetzung der Eigentumsgruppen in Berlin gibt es nur aus dem Zensus 2011. Das Verhältnis hat sich jedoch nicht maßgeblich geändert. Von insgesamt etwa 320.000 Gebäuden entfallen fast 200.000 Objekte auf Privatpersonen. Kommunale Wohnungsunternehmen werden in den Zahlen des Amtes für Statistik mit ca.20.400 geführt und sonstige Eigentümer, unter die auch konstitutionelle Anleger fallen, mit knapp 42.000. Wohnungsgenossenschaften bewegen sich um 17.000 Häuser. Es sind ohne Zweifel die Privateigentümer, die mit ihrem großen Bestand die Mieten in Berlin bei einer auch im Jahr 2019 günstigen Durchschnittsmiete von unter EUR/m² 7,00,- gehalten haben. 
 

“Analog zum Gefahrenabwehrrecht ist es notwendig, dass der Staat nicht erst dann tätig werden darf, wenn ein Schaden schon eingetreten ist. Es genügt dort vielmehr, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Eintritt des Schadens zu rechnen ist.”

Dass der Staat nicht erst dann tätig werden darf, wenn es zu spät, ist korrekt. Im Widerspruch dazu steht, dass Berlin seit Jahren alle selbst gesetzten Wohnungsbauziele verfehlt und damit für die kontinuierliche Verschärfung der Situation verantwortlich ist. Zuletzt wurde der Stadtentwicklungsplan Wohnen (Step Wohnen) vom Regierenden Bürgermeister Müller in seiner jetzigen Form abgelehnt, weil der Neubau hinsichtlich der aktuellen Anforderungen des Wohnungsmarktes und auch in Zusammenhang mit dem von Lompscher angekündigten Mietengesetz (Mietendeckel) überprüft werden müsse. Nicht nur die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus kritisieren, dass im Senat und in den Bezirken der Neubau von Wohnungen systematisch herunter priorisiert wird. Es scheint die Strategie der Senatorin zu sein, den Wohnungsmarkt abzukühlen, indem die Uhr zurückgedreht wird. Ein unattraktiveres Berlin mit schwierigem Wohnungsmarkt hält Menschen vom Zuzug ab und entlastet den Wohnungsmarkt auch ohne Neubau. 
 

“Die beteiligten Senatsverwaltungen sind der Auffassung, dass die Bundesländer seit der mit der Föderalismusreform 2006 erfolgten Streichung des Kompetenztitels für das „Wohnungswesen“ aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG befugt sind, auf Grundlage des Art. 70 Abs. 1 GG gesetzliche Regelungen zu diesem Regelungsgegenstand zu treffen.”

Das ist die umstrittene Position des Senats. Die SPD legte ein Gutachten zweier Universitätsprofessoren vor, welches dem Vorhaben Verfassungskonformität bescheinigt. Artikel 28 der Berliner Verfassung, der das Recht auf Wohnraum garantiert, stütze die Position des Senats. Allerdings, und dies wurde durch ein vom VWB in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt, konkurrieren Miete und Eigentum in Artikel 28 der Verfassung von Berlin nicht, sondern sind als gleichberechtigte Komponenten zu fördern, was dem Vorhaben des Mietengesetzes diametral entgegen steht. Das Gutachten der SPD vertritt außerdem die Auffassung, dass es keine ausschließliche Kompetenz des Bundes für das Mietpreisrecht gibt. Vom Bundesverband Freier Immobilienunternehmen (BFW) beauftragte Juristen kommen zu einem anderen Ergebnis. Ein auf Landesebene per Gesetz eingeführter Mietendeckel sei verfassungswidrig, weil der Bund das Wohnraummietrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch abschließend geregelt habe. Darüber hinaus würde die Eigentumsgarantie in Artikels 14 im Grundgesetz ausgehebelt. Unabhängig von der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit wähnt sich die Bausenatorin aus dem Amt heraus in der stärkeren Position. Lompschers Strategie ist es, zunächst Tatsachen zu schaffen und dann die Entscheidung der Gerichte abzuwarten. Bis es zu einer höchst-instanzlichen Entscheidung kommt, gelten die Bedingungen des noch zu erlassenden Gesetzes. Es ist ein Spiel auf Zeit. 
 

“Regelungsform und -zeitraum: Die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Miete erfolgt durch Landesgesetz, dessen Regelungen grundsätzlich den Mietpreisstand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Eckpunkte durch den Senat schützen. Das Inkrafttreten des Berliner Mietengesetzes (Mietendeckel) soll im Januar 2020 erfolgen. Die Regelungen zur Miethöhe sind auf fünf Jahre befristet.”


1995 wurde in Kreuzberg für das Gebiet „Luisenstadt“ erstmalig eine Erhaltungsverordnung gem. § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Baugesetzbuches zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart sowie der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erlassen. In der Satzung ist eine turnusmäßige Überprüfung alle 5 Jahre vorgesehen. Auch heute, 20 Jahre nach Einführung der Erhaltungssatzung, besteht diese weiter. Sie wurde um diverse Quartiere ergänzt. Dieses Beispiel zeigt, dass wenn in Berlin einmal eine Regelung im Miet- oder Baurecht eingeführt wird, diese üblicherweise alle Zyklen und Phasen eines Wohnungsmarktes überdauert. In Kreuzberg wurde die Erhaltungssatzung auch in Zeiten großen Leerstandes und niedrigster Mieten nicht aufgehoben. Es wird abzuwarten sein, wie die Regelungen im Gesetzentwurf aussehen werden. Von einem Ausphasen nach 5 Jahren auszugehen entspricht jedoch nicht der Berliner Realität.
 

“Das Berliner Mietengesetz (Mietendeckel) gilt für nicht preisgebundene Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern in ganz Berlin. Für die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus (Erster Förderweg) gilt weiterhin Spezialrecht (Kostenmietensystem).”

Während im Bestand des kommunalen Wohnungsbaus Spezialrecht gilt und bei Wohnungsbaugesellschaften Mieterhöhungen mindestens in Höhe eines Inflationsausgleiches und in bestimmten Fällen auch die Übernahme und Weiterführung der Konditionen aus bestehenden Förderverträgen vereinbart werden, sollen nicht preisgebundene Mietwohnungen gedeckelt und/oder abgesenkt werden. Es zeichnet sich ab, dass private Eigentümer und Vermieter, wie schon in den Bezirken durch die Ausübung von Vorkaufsfrechten, gegenüber den kommunalen Unternehmen benachteiligt werden.
 

“Bei Vermietung von Wohnungen darf höchstens die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis verlangt werden, sofern diese die Mietobergrenze nicht übersteigt. Wohnungsneubau, der noch nicht vermietet wurde, ist ausgenommen. Vorstellbar ist, dass der Neubau ab 2014 ausgenommen wird, weil ab diesem Zeitpunkt der Wohnungsneubau in Berlin wieder gefördert wurde.”

Was passiert, wenn die vor einer Neuvermietung erzielte Miete plötzlich die vom Senat nach eigenem Ermessen festgelegte Mietobergrenze übersteigt? Dieser sich harmlos lesende Satz lässt vermuten, dass die Verfasser keine Hemmungen haben werden, das Mietengesetz über ein Moratorium hinaus zu einem Allzweck-Tool weiter zu entwickeln. Der Senat wäre in der Lage, willkürlich Mietobergrenzen einzuführen und bei Neuvermietung entgegen geltendem Recht eine Reduzierung der bislang erzielten Miete einzufordern.
 


“Für Modernisierungsumlagen werden besondere Genehmigungs- und Anzeigepflichten für Vermieter geschaffen. Für die Prüfung von Anzeigen und der Genehmigungsfähigkeit ist die IBB zuständig.”

Wenn die angedachten bürokratischen Prozesse dem höherem Zweck der Verschleppung von Vorgängen dienen, erschließt sich die Idee, ansonsten wird hier ein geradezu an Irrsinn grenzendes Konstrukt geschaffen. Auch kleinste Maßnahmen bis EUR/m² 0,50 sind anzeigepflichtig. Alle über diesem Schwellwert liegenden Maßnahmen sind genehmigungspflichtig, wobei bei energetischen Maßnahmen das Potenzial bei der Einsparung von Betriebskosten über Sachverständige nachgewiesen werden muss. Ungeachtet, dass Eigentümer und Vermieter zu Bittstellern deklassiert werden und die IBB sich wenig erfreut über die angedachten Kompetenzen zeigt, regt dieser Punkt mit linker Selbstverständlichkeit eine kafkaeske Bürokratisierung an, die man sonst nur aus der Zeit ab 1933 und später in der DDR kennt. 
 

“Wirtschaftliche Härtefälle der Vermieterinnen und Vermieter sind auf Antrag durch die Investitionsbank Berlin (IBB) zu prüfen und durch die für Wohnen zuständige Senatsverwaltung zu genehmigen.”

Das Eckpunktepapier knüpft nahtlos an wirtschaftliche Härtefälle an, die zweifelsohne entstehen werden, wenn Vermieter vor der Entscheidung stehen, den eigenen Bestand entweder erodieren zu lassen, oder auf eigene Kosten und ohne Beteiligung der Mieter zu modernisieren. Auf Eigentümer wirken diese Punkte zynisch. Sollte ein Vermieter oder eine Vermieterin gegenüber der IBB eine wirtschaftliche Unterdeckung nachweisen können, sollen im Einzelfall abweichende Mieterhöhungen möglich sein. Es ist zu erwarten, dass der Einzelfall zur Regel wird, da diese Unterdeckung in den meisten Fällen vorliegt. Über einen finanziellen Ausgleich sollen WBS-berechtigte Mieter für diese Härte einen finanziellen Ausgleich erhalten. 
 

“Verstöße gegen die Anforderungen des Berliner Mietengesetzes (Mietendeckel) werden als Ordnungswidrigkeiten eingestuft, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden können. Mieterinnen und Mieter können bei Verdacht eines Verstoßes diesen beim Bezirksamt anzeigen.”

Um sicher zu gehen, dass Vermieter nicht auf unerlaubte, subversive Ideen kommen, ist die Mitwirkung des aufrechten Mieters gefragt. Fehlt hier noch die Meldepflicht für Mieter?
 

"Die für die Mietpreisprüfung zuständigen Stellen werden durch das Gesetz befugt, die Einhaltung der sich aus dem Berliner Mietengesetz (Mietendeckel) ergebenden Anforderungen zu überwachen und durchzusetzen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgabe können sie alle erforderlichen Maßnahmen (u.a. Auskunfts- und Nachweispflichten, schrittweiser Aufbau eines  Wohnungskatasters) treffen. Insbesondere können sie den Vermieterinnen und Vermietern im Einzelfall untersagen, eine höhere als die gesetzlich zulässige Miete zu verlangen oder anzunehmen."

Ein Wohnungskataster mit allen Details zur Wohnung und zum Eigentümer, mit Informationen zu genehmigten, untersagten oder angezeigten Maßnahmen ist ein Ziel der Bausenatorin. Bereits jetzt ist es gängige Praxis, Mieter bei Verkäufen von Mehrfamilienhäusern mit umfangreichen Fragekatalogen zu konfrontieren. Der laxe Umgang von Senat und Bezirken mit geltendem Recht lässt befürchten, dass Datenschutzrichtlinien bewusst ignoriert werden. Abgefragt werden Wohndauer, Mieten und Betriebskosten, ob Rahmen ALG II oder Grundsicherung oder Wohngeld erhalten werden, wieviele Personen im Haushalt leben und (!) wie hoch das Nettoeinkommen des Haushalte ist.